Stephan Schulz, Arzt für Psychiatrie-Psychotherapie und Arzt für psychotherapeutische Medizin

Ein Neuroleptikum (oder Antipsychotikum) ist ein Medikament, das bei schweren psychischen Erkrankungen zum Einsatz kommt, das heißt überwiegend bei Psychosen, bei denen es z.B. zu Halluzinationen und ausgeprägten Wahrnehmungsstörungen kommt.

Es gibt wenige Medikamente, deren Einsatz so kontrovers diskutiert wird, wie der der Neuroleptika. Das liegt nicht nur an den Nebenwirkungen dieser Medikamente sondern auch daran, dass Betroffene selbst vor allem zu Beginn einer psychotischen Erkrankung Probleme haben, diese zu erkennen: Wir alle neigen dazu , unsere Wahrnehmung als real anzunehmen und das gilt auch für die, die z.B. Stimmen hören, obwohl offensichtlich niemand im Raum ist. Es wird dann oft nach Erklärungen gesucht, die außerhalb der eigenen Person liegen. Eine Behandlung mit Medikamenten erscheint dabei nicht einsichtig. Da Selbstbestimmung ein hohes Gut ist, löst die Ablehnung einer medikamentösen Behandlung durch Betroffene auch eine gesellschaftliche Diskussion aus, die z.B. in Gesetzen ihren Niederschlag findet, die einer solchen Medikation enge Grenzen setzen und die Vergabe wider Willen u.a. auf Eigen- oder Fremdgefährdung beschränken. Nicht zuletzt sind Nebenwirkungen unstrittig: Vor allem bei älteren Neuroleptika (z.B. Haldol) berichten Betroffene oft davon, sich wie "eingemauert" zu fühlen. Gleichzeitig bringen diese Medikamente die Gefahr mit sich, bei längerfristiger Behandlung neurologische Störungen (z.B unwillkürliche stereotype Bewegungsabläufe) zu entwickeln, die zwar von Betroffenen selbst oft als wenig belastend empfunden werden, die Umwelt aber mitunter irritieren und die sowieso oft nicht leichte soziale Reintegration zusätzlich stören. Andere Medikamente machen müde und neuere Neurolptika haben zwar keine oder weniger neurologischen Störungen zur Folge, können aber Stoffwechselstörungen verursachen.

Es stellt sich also die Frage, darf nicht jeder "spinnen", solange er mag und sich und andere nicht gefährdet? Sind Neuroleptika wirklich notwendig? Andererseits sind die Erlebnisse, die in einer akuten Psychose durchgemacht werden, oft extrem ängstigend und führen überdurchschnittlich häufig auch zum Suizid. Fraglich ist auch, ob der Umgang mit Psychose-Betroffenen in jenen Zeiten, als es noch keine Neuroleptika gab, menschenwürdig war: Wenn die innere Anspannung so hoch war, dass jemand zu toben anfing, wurde er angebunden, in Zwangsjacken gesteckt.o.ä. und war oft dazu verdammt, den Rest des Daseins in einer sogenannten Anstalt zu verbringen.

Was es immerhin gibt, sind die nach der ersten Einrichtung dieser Art in Bern benannten "Soteria"-Projekte, in denen mit großem persönlichen Einsatz versucht wird, das Akutstadium einer Psychose ohne oder mit wenig Medikamenten zu überstehen.

Abschließend: "Schizophrenie" heißt übersetzt "gespaltene Seele". Dem Wortsinn folgend könnte das bedeuten, dass es therapeutisch darum geht, etwas Abgespaltenes wieder zurückzuholen, zu integrieren. Dies gilt übrigens für viele psychische Probleme und oft auch für körperliche Erkrankungen: Es ist sinnvoll, etwas als zur eigenen Person gehörig zu akzeptieren um dann einen angemessenen Umgang damit zu finden. Bezogen auf Psychosen (schizophren oder affektiv) gibt es immer wieder Menschen, die durch  akzeptieren einen guten Umgang damit finden: Manche nehmen erst dann regelmäßig Medikamente, so dass sich die sonst häufig wiederkehrenden stationären Behandlungen vermeiden lassen. Andere entwickeln soviel Gespür für ihre Psychose , dass sie über längere Zeiträume mit sehr, sehr wenig Medikamenten auskommen und eine Erhöhung nur vornehmen, wenn sie das Herannahen einer akuten Phase bemerken.